Wohlwollender Disput Jürgen-Wolfgang, Zwischenbericht
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#4812
by Wolfgang Horn
Wohlwollender Disput Jürgen-Wolfgang, Zwischenbericht was created by Wolfgang Horn
Hallo Freunde,
vor mehr als einer Woche und vielen Zeilen im Forum hier haben Jürgen und ich unseren lang gewordenen Thread verlagert in den bidirektionalen Austausch von Email.
Die Leitungen haben geraucht, Jürgen hat sehr viel Interesse und Geduld gezeigt, ich habe manche Tage Stunden meiner Arbeitszeit an meinen mails gefeilt.
_Tragfähiger Konsens entsteht nicht aus allgemeinem Harmoniestreben, sondern nur aus ausgetragenem Dissens.“ (Prof. Malik)
Die Waffen im Disput sind unfair verteilt: Für Jürgen ist es gewiß nicht sein erster Disput mit exotischen Spinnern wie mir, die in das "Territorium" seiner Fachrichtung "Pädagogik" eindringen. Aber sein erster mit mir. Ich dagegen habe meine Argumente schon an Pädagogen in der eigenen Familie geschärft.
Wir stimmen überein über die Banalität, daß es keinen allgemeingültigen "best practice" der Vermittlung von Wissen geben kann.
Genausowenig, wie es eine "best practice" geben kann als Anleitung für einen Blindflug durch Münchens Straßen von
Pasing bis Laim. Allenfalls, wenn die Straßen frei sind von anderen Verkehrsteilnehmer. Aber weil es diese gibt, ist jede einzelne Fahrt ein Unikum, unterscheidet sich jede Fahrt von jeder anderen.
Dissens löste aber meine Behauptung aus, ähnlich wie die Kenntnis und Beachtung der Straßenverkehrsordnung es jedem Fahrer erleichtert, das Verhalten seiner Mitmenschen auf der Straße voraussagen, sich darauf abzustimmen, so erleichtert sich auch derjenige Pädagoge/Trainer seine Arbeit, wenn er diejenigen Fähigkeiten und Neigungen berücksichtigt, die allen Menschen gemeinsam angeboren sind.
Im gemeinsamen Kampf gegen Verzettelung haben wir uns derzeit auf den wohl entscheidenden Dissens konzentriert:
Jürgens These (wenn ich sie wirklich richtig verstanden habe): Pädagogen gewinnen keinen Vorteil, wenn sie die Gene der Menschheit berücksichtigen.
Meine These (hier schon verfeinert gegenüber meiner letzten Mail an Jürgen): Von 100 ansonsten vergleichbaren Pädagogen erreichen wahrscheinlich diejenigen 50 ihre persönlichen Ziele mit weniger Mühe, die in ihrer Arbeit die Gene der Menschheit berücksichtigen.
(Und dabei meine ich nicht nur meine Nöte bei diesem Seminar in Mexiko, als die hinreißende Schönheit in meinem Seminar mit ihren Augen klimperte und ich mich mit mit aller Gewalt an meinem roten Faden festklammern mußte...)
Jürgen hat ein weiteres schweres Handikap seiner "Zunft": Wäre "die Pädagogik" ein Ganzes, dann hat sie seit mindestens altgriechischen Zeiten zahlreiche Behauptungen zur Selbstverständlichkeit erklärt, die der Fachmann einfach nicht in Frage stellt. Ähnlich wie wir Ingenieure die Hauptsätze der Thermodynamik.
Nur - wir können recht gut messen, unsere Dampfmaschinen spielen uns keine Streiche, noch wollen sie im Vorgang der Messung ihre Interessen wahren.
Die Lehrsätze der Pädagogik sind weitaus schwerer zu beweisen.
Im Prinzip sind wir Stellvertreter zwei unvereinbarer Arten der Modellierung des beobachtbaren Geschehens:
a) die geisteswissenschaftliche, welche die im Diesseits beobachtbaren Phänomene erklärt mit Ursachen, die außerhalb der Materie des Diesseits liegen. Für die Alten Griechen war kein ernsthafter Zweifel, daß die Götter mit ihren Prinzipien das Geschehen im Diesseits steuern. Und sei es die Athene, die ihrem Odysseus vor Troja einflüstert, wie er die Trojaner besiegen kann. Heute sind es nach Meinung der Geisteswissenschaftler "höhere Zusammenhänge" und Prinzipien, die das Verhalten der Menschen steuern.
Ein Grenzfall zwischen a) und dem b) gleich ist der "Attraktor" in den Chaosbildern des Mathematikers und Chaosforschers Benoit M. Mandelbrot ("Apfelmännchen"). Am Anfang steht ein komplexer Algorithmus, der eine komplexe Zahl multipliziert, addiert und im Endergebnis die Vorkommastellen streicht und dem Wert der Nachkommastellen einen Farbwert zuordnet. Rechnet man nun mit x und y einer Fläche, dann ergibt sich ein buntes Bild. Dies sieht einerseits sehr chaotisch aus, und doch staunt der "gesunde Menschenverstand" des Laien, daß im Chaos Muster zu erkennen sind. Beispielsweise Wirbel, in deren Mittelpunkt sich ein Attraktor denken läßt, als bestimme er die Farbverteilung in seiner Umgebung.
b) die naturwissenschaftliche Denkweise. Sie erklärt die Materie eben nicht nach abstrakten Gemeinsamkeiten, wie es manche der Alten Griechen und die Alchimisten taten, als sie die Materie zusammengessetzt dachten aus den 4 Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft. Diese Elemente sind Prinzipien, die Natur des Feuers ist eben das Flackern und die Hitze, die Natur des Wassers ist, daß es nass ist, kalt und flüssig...
Sondern "wir Naturwissenschaftler" erklären das Geschehen, das an einem System wie "H2O" zu beobachten ist, als Folge der Wechselwirkung und der Fähigkeiten seiner Bestandteile - wie eben Wasserstoff und Sauerstoff. Und deren chemische Eigenschaften anhand der Wechselwirkungen von Protonen und Elektronen bis derzeit zu den Quarks.
Wenn Natur- und Geisteswissenschaftler beide gut beobachtet und gefolgert haben, dann müßten beide zu denselben Voraussagen kommen. Die "Natur des Menschen", die der Pädagoge formuliert, muß übereinstimmen mit dem, was ich aus den Genen der Menschen ableite.
Penetrant muß für Jürgen meine Überzeugung erscheinen, daß die Herleitung anhand der Gene leichter zu belegen ist als die traditionellen Behaupten der Pädagogi, wäre dies ein Ganzes.
Ciao
Wolfgang
vor mehr als einer Woche und vielen Zeilen im Forum hier haben Jürgen und ich unseren lang gewordenen Thread verlagert in den bidirektionalen Austausch von Email.
Die Leitungen haben geraucht, Jürgen hat sehr viel Interesse und Geduld gezeigt, ich habe manche Tage Stunden meiner Arbeitszeit an meinen mails gefeilt.
_Tragfähiger Konsens entsteht nicht aus allgemeinem Harmoniestreben, sondern nur aus ausgetragenem Dissens.“ (Prof. Malik)
Die Waffen im Disput sind unfair verteilt: Für Jürgen ist es gewiß nicht sein erster Disput mit exotischen Spinnern wie mir, die in das "Territorium" seiner Fachrichtung "Pädagogik" eindringen. Aber sein erster mit mir. Ich dagegen habe meine Argumente schon an Pädagogen in der eigenen Familie geschärft.
Wir stimmen überein über die Banalität, daß es keinen allgemeingültigen "best practice" der Vermittlung von Wissen geben kann.
Genausowenig, wie es eine "best practice" geben kann als Anleitung für einen Blindflug durch Münchens Straßen von
Pasing bis Laim. Allenfalls, wenn die Straßen frei sind von anderen Verkehrsteilnehmer. Aber weil es diese gibt, ist jede einzelne Fahrt ein Unikum, unterscheidet sich jede Fahrt von jeder anderen.
Dissens löste aber meine Behauptung aus, ähnlich wie die Kenntnis und Beachtung der Straßenverkehrsordnung es jedem Fahrer erleichtert, das Verhalten seiner Mitmenschen auf der Straße voraussagen, sich darauf abzustimmen, so erleichtert sich auch derjenige Pädagoge/Trainer seine Arbeit, wenn er diejenigen Fähigkeiten und Neigungen berücksichtigt, die allen Menschen gemeinsam angeboren sind.
Im gemeinsamen Kampf gegen Verzettelung haben wir uns derzeit auf den wohl entscheidenden Dissens konzentriert:
Jürgens These (wenn ich sie wirklich richtig verstanden habe): Pädagogen gewinnen keinen Vorteil, wenn sie die Gene der Menschheit berücksichtigen.
Meine These (hier schon verfeinert gegenüber meiner letzten Mail an Jürgen): Von 100 ansonsten vergleichbaren Pädagogen erreichen wahrscheinlich diejenigen 50 ihre persönlichen Ziele mit weniger Mühe, die in ihrer Arbeit die Gene der Menschheit berücksichtigen.
(Und dabei meine ich nicht nur meine Nöte bei diesem Seminar in Mexiko, als die hinreißende Schönheit in meinem Seminar mit ihren Augen klimperte und ich mich mit mit aller Gewalt an meinem roten Faden festklammern mußte...)
Jürgen hat ein weiteres schweres Handikap seiner "Zunft": Wäre "die Pädagogik" ein Ganzes, dann hat sie seit mindestens altgriechischen Zeiten zahlreiche Behauptungen zur Selbstverständlichkeit erklärt, die der Fachmann einfach nicht in Frage stellt. Ähnlich wie wir Ingenieure die Hauptsätze der Thermodynamik.
Nur - wir können recht gut messen, unsere Dampfmaschinen spielen uns keine Streiche, noch wollen sie im Vorgang der Messung ihre Interessen wahren.
Die Lehrsätze der Pädagogik sind weitaus schwerer zu beweisen.
Im Prinzip sind wir Stellvertreter zwei unvereinbarer Arten der Modellierung des beobachtbaren Geschehens:
a) die geisteswissenschaftliche, welche die im Diesseits beobachtbaren Phänomene erklärt mit Ursachen, die außerhalb der Materie des Diesseits liegen. Für die Alten Griechen war kein ernsthafter Zweifel, daß die Götter mit ihren Prinzipien das Geschehen im Diesseits steuern. Und sei es die Athene, die ihrem Odysseus vor Troja einflüstert, wie er die Trojaner besiegen kann. Heute sind es nach Meinung der Geisteswissenschaftler "höhere Zusammenhänge" und Prinzipien, die das Verhalten der Menschen steuern.
Ein Grenzfall zwischen a) und dem b) gleich ist der "Attraktor" in den Chaosbildern des Mathematikers und Chaosforschers Benoit M. Mandelbrot ("Apfelmännchen"). Am Anfang steht ein komplexer Algorithmus, der eine komplexe Zahl multipliziert, addiert und im Endergebnis die Vorkommastellen streicht und dem Wert der Nachkommastellen einen Farbwert zuordnet. Rechnet man nun mit x und y einer Fläche, dann ergibt sich ein buntes Bild. Dies sieht einerseits sehr chaotisch aus, und doch staunt der "gesunde Menschenverstand" des Laien, daß im Chaos Muster zu erkennen sind. Beispielsweise Wirbel, in deren Mittelpunkt sich ein Attraktor denken läßt, als bestimme er die Farbverteilung in seiner Umgebung.
b) die naturwissenschaftliche Denkweise. Sie erklärt die Materie eben nicht nach abstrakten Gemeinsamkeiten, wie es manche der Alten Griechen und die Alchimisten taten, als sie die Materie zusammengessetzt dachten aus den 4 Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft. Diese Elemente sind Prinzipien, die Natur des Feuers ist eben das Flackern und die Hitze, die Natur des Wassers ist, daß es nass ist, kalt und flüssig...
Sondern "wir Naturwissenschaftler" erklären das Geschehen, das an einem System wie "H2O" zu beobachten ist, als Folge der Wechselwirkung und der Fähigkeiten seiner Bestandteile - wie eben Wasserstoff und Sauerstoff. Und deren chemische Eigenschaften anhand der Wechselwirkungen von Protonen und Elektronen bis derzeit zu den Quarks.
Wenn Natur- und Geisteswissenschaftler beide gut beobachtet und gefolgert haben, dann müßten beide zu denselben Voraussagen kommen. Die "Natur des Menschen", die der Pädagoge formuliert, muß übereinstimmen mit dem, was ich aus den Genen der Menschen ableite.
Penetrant muß für Jürgen meine Überzeugung erscheinen, daß die Herleitung anhand der Gene leichter zu belegen ist als die traditionellen Behaupten der Pädagogi, wäre dies ein Ganzes.
Ciao
Wolfgang
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- Vivian
- Topic Author
- Visitor
#4817
by Vivian
Replied by Vivian on topic Starke Diskussion!!!
Hallo Wolfgang, hallo Jürgen,
eure Diskussion war äußerst interessant. Ich habe wahnsinnig viele Denkanstöße erhalten, zu denen mir wohl noch die nötige Lebenserfahrung fehlt.
Ich habe zwar versucht, konsequent am Ball zu bleiben. Das ist mir leider nicht ganz gelungen.
Ich werde sie mir sicher noch einmal komplett durchlesen.
Schönes Wochenende
Vivian
PS: Wolfgang, was macht Ihre Arbeit zum Scheitern von Change-Management-Prozessen?
eure Diskussion war äußerst interessant. Ich habe wahnsinnig viele Denkanstöße erhalten, zu denen mir wohl noch die nötige Lebenserfahrung fehlt.
Ich habe zwar versucht, konsequent am Ball zu bleiben. Das ist mir leider nicht ganz gelungen.
Ich werde sie mir sicher noch einmal komplett durchlesen.
Schönes Wochenende
Vivian
PS: Wolfgang, was macht Ihre Arbeit zum Scheitern von Change-Management-Prozessen?
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- Wolfgang Horn
- Topic Author
- Visitor
#4820
by Wolfgang Horn
Replied by Wolfgang Horn on topic Arbeit, Change Management RICHTIG zu machen
Hi, Vivian,
: eure Diskussion war äußerst interessant. Ich habe wahnsinnig viele Denkanstöße erhalten,
Danke.
:.. zu denen mir wohl noch die nötige Lebenserfahrung fehlt.
Ja, und dann siehst Du das alles wieder anders...
: PS: Wolfgang, was macht Ihre Arbeit zum Scheitern von Change-Management-Prozessen?
Zur Zeit organisiere ich meine "Deutschland-Tour" in dieser Sache, durch VDI, DGQ, GPM.
Jeweils ein Referat, und dann ein paar Wochen später einen Tagesworkshop für die Opfer und jene, die Opfer vermeiden wollen - auch ihre eigene Opferung als Sündenbock.
Die Regionalgruppenleiter wissen sehr gut Bescheid über das, was in ihrem Bereich abläuft.
Alle waren interessiert bis sehr interessiert.
Keiner der angesprochenen hat Change Management verteidigt, ich habe fast das Gefühl, diese Managementmodewelle ist schon gebrochen.
Und mir scheint, statt dessen feiert der Basta!-Despotismus seinen Aufstieg, die Macher krempeln die Ärmel hoch, stellen die Besserwisser in den Hintergrund und packen an.
Was durchaus wichtig ist für Unternehmen und Arbeitsplätze.
Das Problem des heutigen Basta!-Despotismus gegenüber vor Jahrzehnten: So viel qualifizierter die Mitarbeiter -aller Leitungsebenen - heute, so notwendig braucht der Macher ihr engagiertes Mitdenken. Das Basta! aber verscheucht das in den Schmollwinkel.
In meinen Projekten habe ich einen besseren Weg gefunden, bei dem die Entscheidungen im Team zügiger fallen, treffender - und auch umgesetzt werden.
Ciao
Wolfgang
: eure Diskussion war äußerst interessant. Ich habe wahnsinnig viele Denkanstöße erhalten,
Danke.
:.. zu denen mir wohl noch die nötige Lebenserfahrung fehlt.
Ja, und dann siehst Du das alles wieder anders...
: PS: Wolfgang, was macht Ihre Arbeit zum Scheitern von Change-Management-Prozessen?
Zur Zeit organisiere ich meine "Deutschland-Tour" in dieser Sache, durch VDI, DGQ, GPM.
Jeweils ein Referat, und dann ein paar Wochen später einen Tagesworkshop für die Opfer und jene, die Opfer vermeiden wollen - auch ihre eigene Opferung als Sündenbock.
Die Regionalgruppenleiter wissen sehr gut Bescheid über das, was in ihrem Bereich abläuft.
Alle waren interessiert bis sehr interessiert.
Keiner der angesprochenen hat Change Management verteidigt, ich habe fast das Gefühl, diese Managementmodewelle ist schon gebrochen.
Und mir scheint, statt dessen feiert der Basta!-Despotismus seinen Aufstieg, die Macher krempeln die Ärmel hoch, stellen die Besserwisser in den Hintergrund und packen an.
Was durchaus wichtig ist für Unternehmen und Arbeitsplätze.
Das Problem des heutigen Basta!-Despotismus gegenüber vor Jahrzehnten: So viel qualifizierter die Mitarbeiter -aller Leitungsebenen - heute, so notwendig braucht der Macher ihr engagiertes Mitdenken. Das Basta! aber verscheucht das in den Schmollwinkel.
In meinen Projekten habe ich einen besseren Weg gefunden, bei dem die Entscheidungen im Team zügiger fallen, treffender - und auch umgesetzt werden.
Ciao
Wolfgang
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