Wenn Weiterbildung zum Opium für Unternehmen wird

  • Wolfgang Horn
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#7026 by Wolfgang Horn
Hallo, Freunde der ordentlichen Arbeit,
wir haben in diesem Forum viel diskutiert über Inkonsequenz der Führungskräfte, und über die zahlreichen Varianten des Syndroms "Wasch mich, aber mach mich nicht naß".
Selbstkritisch als Trainer muß ich feststellen: Wir Trainer haben da kräftig mitgeholfen, haben mit gutgemeinter Arbeit das Gewünschte seltener erreicht als gewünscht, das Ungewünschte aber viel öfter.
Das ist eine brisante Aussage zu einem brisanten Thema.
Man kann die Besserwisser wie mich nicht für unantastbar erklären, wenn Ursachen der wirtschaftlichen Situation untersucht werden.
Insbesondere in den Soft-Fact-Themen wie "Soziale Kompetenz" und "Konfliktmanagement".
Wenn wir ein Unternehmen vergleichen mit einem Getriebe, dann kann beides nur dann überdurchschnittlich gut - und damit konkurrenzfähig - sein, wenn die Zahnräder sich gegenseitig nicht zerfräsen und die Personen im Prozeß miteinander arbeiten statt gegeneinander. Wenn sie aus Eigeninteresse gern tun, was sie tun müssen für Zukunft und Wachstum ihrer Unternehmenseinheit und des ganzen Unternehmens.
Wenn aber die Zahnräder knirschen und kreischen, und im Öl die Metallspäne glitzern, dann denken wir Ingenieure schnell an Überlastung, Montagefehler - oder gar Fehler in der Konstruktion. Und im Falle der Fehlkonstruktion suchen wir die Ursache, reparieren die, und die nächsten Getriebe brummen und summen, daß es eine Freude ist.
Wenn aber im Unternehmen die Personen sich zerstreiten und einzelne gar zum Psychotherapeuten müßten, dann wird nicht über Organisationsfehler nachgedacht, wenn man doch Mediatoren, Coaches und Trainer holen kann.
Die sollen "soziale Kompetenzen" vermitteln, wo die Getriebeachsen verkantet konstruiert sind, äh, nein, sie sollen den Personen vermitteln, wie sie trotz schwerwiegender Organisations- und Führungsfehler wie "widersprüchliche Zielvorgaben" harmonisch und produktiv zusammen arbeiten.
Das wäre, als würden wir die Zahnräder im Getriebe mit einer Gummischicht überziehen, damit die Verkantungen in den Achsen weniger Späne produzieren.
Oder, als würde der Arzt bei der Operation eines Patienten eine Pinzette im Bauch vergessen, und auf die Schmerzensklagen des Patienten hin nicht seinen eigenen Fehler reparieren, sondern Opium verabreichen zur Besänftigung und Beruhigung.
Die Nebenwirkung, die ich meine: Wer den Mediator, Trainer oder Coach holt aufgrund der Fehldiagnose, die Ursache des Problems sei kein Organisations- oder Führungsfehler, sondern Inkompetenz der Mitarbeiter, der verschleppt die richtige Therapie, der zementiert seinen Fehler statt selbst zu lernen - und wird seinen Fehler wohl wiederholen.
"Wir" Weiterbildner, Trainer, Coaches und Mediatoren haben meiner Meinung nach insgesamt zu viel versprochen. Wohl, weil wir zuwenig begriffen haben von Menschen, Teams und Unternehmen.
Was ist zu tun?
a) Dem Bereich der Soft Facts darf das Qualitätsdenken nicht länger vorenthalten werden. Und damit meine ich nicht die Farbqualität der Overhead-Folien, sondern Qualitätsdenken in Bezug auf den Erfolg der gesamten Trainingsmaßnahme, was sie nicht beim Individuum bewirkt, sondern in dessen Team.
b) Aufklärung der Wirkungswege, der Wirkungen und Nebenwirkungen.
c) Schluß mit der Bevormundung der Führungskräfte durch Besserwisser wie mich, die einzeln vielleicht gelegentlich mal recht haben, zu mehreren aber so wenig, wie ihre Aussagen widersprüchlich sind.
Hier ist eine Menge zu tun - und je härter der Dissens, desto interessanter.
Ciao
Wolfgang Horn



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  • Patrick
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#7032 by Patrick
Tach Wolfgang,
sicher hast Du recht, wenn Du bemängelst, dass Trainings, Schulungen & co oft an der falschen Stelle ansetzen - nämlich beim Personal statt bei der Organisation.
Andererseits: Wie willst Du_s ändern? Solange das Management einen personalen und keinen systemischen Ansatz vertritt, werden auch fleißig Aufträge an Trainer und Coaches vergeben anstatt an Organisationberater.
Es ist nicht die Aufgabe des Trainers, auf diesem Mangel zu verweisen. Im Gegenteil - der wäre ja ganz schön blöd, wenn er seine Arbeit als die falsche Maßnahme deklariert! Schließlich verdient er seine Brötchen damit.
Da liegt es schon am Management - oder vielleicht auch am QMB - die Blickrichtung weg vom Personal und hin zu den Strukturen zu richten. Schließlich wird das Verhalten von Personen durch die Strukturen der Organisation bestimmt.
Trainings können einen organisationalen Wandel nur begleiten, aber nicht bedingen.
Und was heißt das für_s QM?
QM ist nicht allmächtig! In der Regel wird dieses der Organisation angepasst, nicht umgekehrt. Das heißt: QM kann "Soft Facts" nur dort berücksichtigen, wo sie in der Kultur des Unternehmens bereits gelebt werden. Sie können nicht "hinein-gequalitätszirkelt" werden.
Ich denke, Dein Anspruch ans QM ist hier ein bisschen zu hoch.
Grüße
Patrick




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  • Ralf Schmidt
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#7038 by Ralf Schmidt
Hiya,
: sicher hast Du recht, wenn Du bemängelst, dass Trainings, Schulungen & co oft an der falschen Stelle ansetzen - nämlich beim Personal statt bei der Organisation.
Nun ja, ganz so habe ich's nicht verstanden, die Organisation besteht ja aus Personen. Beide sind sehr eng verquickt, wer Prozesse ohne den Menschen macht läuft genau so in's Leere wie der "Händchenhalter" dem jegliche Struktur egal ist solange die Mitarbeiter nur zufrieden sind.
Nur dort wo die Organisation mit und für das Personal sinnvoll aufgebaut ist kann's auch ohne allzugrosse Reibungsverluste laufen.
: Andererseits: Wie willst Du_s ändern? Solange das Management einen personalen und keinen systemischen Ansatz vertritt, werden auch fleißig Aufträge an Trainer und Coaches vergeben anstatt an Organisationberater.
Das ist leider genau der Ansatz der anders herum gerne durchscheint: Das Management setzt die von ihm selbst definierten Prozesse als gegeben an und sucht die Fehler beim "Anderen", nämlich dem der sie umsetzen soll. Also: Personalschulungen/Coaching/Training/wieauchimmer.
Im umgekehrten Fall schimpft "das Personal" auf die vom Management vorgegebenen Prozesse (zu hart, zu lax, zu umfassend, oder infach nur falsch) und sieht die eigenen Schwächen in der notwendigen Umsetzung nicht.
Hier kann ein übergreifender Coach, der Geschäftsleitung und Mitarbeiter an einen Tisch holt und miteinander reden lässt - vermittelt - sehr viel aufbrechen. Versucht er es dagegen in einer Ebene werden die Gräben nur noch tiefer.
: Da liegt es schon am Management - oder vielleicht auch am QMB - die Blickrichtung weg vom Personal und hin zu den Strukturen zu richten. Schließlich wird das Verhalten von Personen durch die Strukturen der Organisation bestimmt.
Und ganz extrem auch umgekehrt. Insbesondere in grösseren Läden erkennt man schnell die verschiedenen Wirklichkeitsebenen von Strukturen un deren z.T. doch sehr freie Interpretation durch den Einzelnen.
: QM ist nicht allmächtig! In der Regel wird dieses der Organisation angepasst, nicht umgekehrt. Das heißt: QM kann "Soft Facts" nur dort berücksichtigen, wo sie in der Kultur des Unternehmens bereits gelebt werden. Sie können nicht "hinein-gequalitätszirkelt" werden.
Nun ja, dass es nicht geht würde ich so pauschal nicht unterzeichnen. Die Aussage ist aber sicherlich korrekt wenn dies ohne den vollen Rückhalt des Managements geschehen soll durch ein(en) QM-Team/QMB der vernab jeder Linienorganisation mit mehr oder weniger grossem Engagament versucht den Laden besser zu machen. Das geht natürlich in die Hose da der Kern dieser Aufgabe nur durch den Besitzer des Prozesses umgesetzt werden kann. Der QMler kann hier nur beraten und nach besten Kräften unterstützen - nicht aber aktiv gestalten.
: Ich denke, Dein Anspruch ans QM ist hier ein bisschen zu hoch.
Oha!
Was mir oft im QM-Dunstkreis auffällt - und sich m.E. auch in dieser Aussage widerspiegelt ist der Umstand dass den am Wertschöpfungsprozess Beteiligten eine viel höhere Qualität ihrer Arbeit abverlangt wird als denen die sich die Qualität auf die Fahne geschrieben haben. Hier wird oft und gerne mit Beamten/Lehrermanier festgelegt was richtig und was falsch ist, durch die Macht des Amtes zu Papier gebracht und an das Volk/ die Schüler zum Auswendigpauken verteilt.
Ergeben sich danach in der Realität Probleme, werden die Vorgaben nicht eingehalten oder bewusst umgangen, ist eben das unmündige Volk in der Schuld.
Der QMB hat sein Ziel, die Einführung eines QM Systems, voll erreicht, die statistische Auswertung per Excel wurde implementiert und der wöchentliche Q-Bericht an den Vorstand halt jeden Vergleich bzgl. Marketingfähigkeit stand.
Einzig - es hat sich nichts geändert, der Laden läuft wie er immer lief, zu den beiden Ebenen "Häuptlinge" und "Indianer" hat sich eine weitere Schicht der gut genährten "Medizinmänner" etabliert die weder im Managament noch im Tagesgeschäft aktiv sind aber immer wissen wie beides besser, effektiver und effizienter auszuführen wäre.
Bis dann,
Ralf Schmidt



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  • Florian
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#7081 by Florian
Hallo Wolfgang
Haben die Berater oft nicht das gleiche Problem wie die Mitarbeiter und Manager. Wir alle unterwerfen uns dem System. Auch als Berater habe ich, in Systemen, die dafür vorbereitet waren erfolgreichere und für das Unternehmen nutzenbringendere Projekte durchführen dürfen.
Berater sind meiner Meinung nach meist genauso auf dem Holzweg wie die Manager, sie kommen ja oft aus den gleichen Schulen und haben nichts anderes gelernt.
Meiner Meinung nach gibt es keine Schuldigen. Alle machen bei diesem Spiel mit. Ein soziales System lässt sich eben nur begrenzt mit einer Maschine vergleichen. Zahnräder fügen sich relativ schnell ihrem Schicksal. Menschen haben da so ihre Eigenarten und wollen auch eigene Interessen erfüllt sehen. Auch Ängste, die ein Zahnrad nicht hat, spielen für die Zusammenarbeit eine grosse Rolle.
Jeder, der einen Garten hat sorgt für gute Erde, genug Wasser oder angenehme Temperaturen mit einer Folie. Ich habe noch nie einen Gärtner gesehen, der seinen Blumen für schnelles Wachsen einen Bonus versprochen hat oder sie in einer schwachen Minute angeschrien hätte :-).
Alle am System beteiligten sozialen Elemente müssen die Möglichkeit haben, sich selber zu bleiben, gewisse Autonomie zu erfahren und kritisch sein zu dürfen. Auch die Konkurrenz untereinander, eines der Hauptprobleme der Systemzerstörung und der Managerkrankheiten, muss auf ein Minimum reduziert werden.
Menschen leisten am meisten, wenn sie freiwillig und unbehindert durch Organisationshürden auf einen gemeinsamen Zweck zustreben können.
Direkter Druck auf den Menschen (egal ob Manager oder Mitarbeiter), verschlechter die Situation laufend.
Fazit: Ich glaube nicht, dass die Zukunft Rezepten gehört, wie es in der Vergangenheit (von Beratern) verkauft worden sind. Jedes Unternehmen muss selber eine Theorie entwickeln (hier können Berater vielleicht helfen), welche Systemform und welche Regeln die erfolgreichste Kultur schaffen.
Freundliche Grüsse
Florian



qm-online.ch

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