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Gute-Nacht-Geschichten aus der Nuts&Bolts: Der "Mangel" an Kundenfreundlichkeit
- Wolfgang Horn
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#4656
by Wolfgang Horn
Gute-Nacht-Geschichten aus der Nuts&Bolts: Der "Mangel" an Kundenfreundlichkeit was created by Wolfgang Horn
Hallo, das ärgert mich gerade:
Herr König führt mit seiner ersten Führungsriege eine Selbstbewertung nach EFQM durch.
Er ist Geschäftsführer der Nuts & Bolts GmbH, unseres fiktiven Modellunternehmens.
_Herr Personaler, verbessern sie die Kennzahl 'Kundenfreundlichkeit' um 15\%.
Bitte schlagen sie eine Kampagne vor. Für mehr Weiterbildung haben wir allerdings kein Geld, notfalls streichen sie von der technischen Weiterbildung, Kundenfreundlichkeit ist wichtiger."
Hat sich der Chef der N&B bereits so festgelegt mit seiner Diagnose, die Ursache des Mangels an Kundenfreundlichkeit liege bei den Mitarbeitern, wird Herr Personaler ihm da kaum widersprechen.
Vielleicht begnügt er sich mit Rundschreiben, vielleicht darf auch ein Trainer Umsatz machen mit der Vermittlung der Kompetenz "Kundenfreundlichkeit" an Mitarbeiter. Vielleicht täuscht Herr Personaler auch eine Steigerung der Kennzahl vor.
Das Geld für Trainerhonorar und Fehlzeiten könnte Herr König sinnvoller anlegen, indem er es SOS-Kinderdörfern schenkt.
Wir haben keinen Grund, am "Mangel an Kundenfreundlichkeit" zu zweifeln.
Falsch aber ist die Diagnose des Herrn König, Ursache sei ein Mangel an Können oder Wollen der Mitarbeiter.
Ebenso Fehl wie diese Diagnose ist die Therapie, die Mitarbeiter zu ermahnen oder gar zu schulen.
Begründung: So sehr die Mitarbeiter der N&B um ihre Arbeitsplätze fürchten, so sehr freuen sie sich über jeden Kunden, über jeden Auftrag. Fast so, wie in der Kindheit über den Weihnachtsmann.
Schon aus Eigeninteresse sind sie freundlich gegenüber ihren Kunden.
Die Aufforderung "seit freundlich gegenüber euren Kunden!" ist von ähnlicher Qualität wie die Aufforderung: "Schimmel, wiehert und seid weiß!"
Wer seinen Mitarbeitern abspricht, diese kausalen Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend zu handeln, der müßte ihnen allmorgendlich wohl auch noch die Schuhbänder zubinden wollen.
Nein, an Können und Wollen kann es den Mitarbeitern nicht mangeln. Die Ursachen müssen woanders liegen, wahrscheinlich in den Randbedingungen der Arbeit.
Die Gestaltung dieser Randbedingungen ist Sache der Führungskräfte, angefangen beim Herrn König.
Versäumnisse der Führungskräfte auszugleichen durch Weiterbildung für Mitarbeiter wäre Pfusch. Obwohl die Weiterbildungsbranche an diesem Pfusch prächtig verdient hat in den letzten Jahrzehnten.
Die wahren Ursachen zu erkennen und abzustellen, dafür wären Mittel und Zeit weit sinnvoller angelegt.
Viel billiger als Trainings wäre die Frage: "Kunden haben geklagt über mangelnde Kundenfreundlichkeit aus unserem Hause. Mitarbeiter, was hindert euch, so freundlich gegenüber Euren Kunden zu sein, wie ihr selbst das eigentlich wollt?"
Würden sich die Mitarbeiter trauen, käme dann wohl ein Bündel von Hindernissen, und es drohen Enthüllungen, die peinlich sind für Führungskräfte, gewiß auch peinlich sind für Herrn König.
Weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König bekennt, er sei auch nur ein Mensch und daher fehlbar. Ebenso jede andere Führungskraft. Deshalb sei er offen für Vorschläge, die der Zukunft der N&B dienen, im Moment sei gerade Bedarf in Sache Kundenfreundlichkeit.
Noch weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König resultatorientiert analysiert:
1. "Kundenfreundlichkeit brauchen wir für gute Ergebnisse".
2. "Das liegt im ureigensten Interesse der Mitarbeiter. Deren Wollen müßte schon da sein, und wer will, holt sich das Können selbst."
3. "Was hindert meine Mitarbeiter, so zu handeln?"
4. "Wie räume ich diese Hindernisse aus?"
Diese Betrachtung von "hinten nach vorn", angefangen beim Ergebnis, und vom Minderergebnis in der Kette von Ursachen und Wirkungen nach vorn gedacht, die ist viel komplizierter als die schlichte Aufforderung "lassen sie das Mitarbeitern trainieren". Sie ist auch unbequemer, weil peinliche Erkenntnisse drohen, Vorwürfe und Ärger. Aber wer sich davor fürchtet, der versagt als Führungskraft.
Diese Art der Analyse ist zwar komplizierter und vielleicht auch peinlicher, aber viel billiger als Pfusch-Weiterbildung für Mitarbeiter.
Freunde, mich ärgert nicht, daß die reale Person, deren Worte ich Herrn König in den Mund gelegt habe, sich vor diesen Unbequemlichkeiten drückt. Das verzeihe ich ihr, und sollte mir das Verzeihen schwer fallen, denke ich an meine Versäumnisse bei meiner Steuererklärung.
Mich ärgert aber die Plumpheit der Fehldiagnose und die Bereitwilligkeit, für Mängel die Mitarbeiter schuldig zu sprechen.
Mich ärgert noch viel mehr die Vorstellung, wie oft sich diese Geschichte wiederholt in Deutschland. Wir brauchen nur in die Weiterbildungsangebote zu schauen und finden Angebote für fast jede Soft-Fact-Kennzahl nach EFQM oder Balanced Scorecard.
Mich ärgert, wie der bereitwillige Griff nach dem "Wundermittel Weiterbildung" die wahren Ursachen für Mängel kaschiert, diese zementiert und so Kapital und Arbeitsplätze vernichtet.
Mich ärgert auch, wie die Rationalität nach EFQM oder BSC Fehldiagnosen fördert. Die Plausibilität der rotgefärbten Kennzahlen begründet noch lange nicht die Richtigkeit von Diagnose und Therapie.
Ich schreibe darüber hier mit der Bitte, hier habt ihr ein paar Argumente, um Eurem Herrn Personaler aus solch einer Klemme zu helfen, und um sinnlose Geldausgaben für wirkungslose Seminare zu vermeiden.
Ciao, und nun schlaft schön (am Montagmorgen! ), und wenn Herr König und die N&B nicht gestorben sind...
Wolfgang Horn
Herr König führt mit seiner ersten Führungsriege eine Selbstbewertung nach EFQM durch.
Er ist Geschäftsführer der Nuts & Bolts GmbH, unseres fiktiven Modellunternehmens.
_Herr Personaler, verbessern sie die Kennzahl 'Kundenfreundlichkeit' um 15\%.
Bitte schlagen sie eine Kampagne vor. Für mehr Weiterbildung haben wir allerdings kein Geld, notfalls streichen sie von der technischen Weiterbildung, Kundenfreundlichkeit ist wichtiger."
Hat sich der Chef der N&B bereits so festgelegt mit seiner Diagnose, die Ursache des Mangels an Kundenfreundlichkeit liege bei den Mitarbeitern, wird Herr Personaler ihm da kaum widersprechen.
Vielleicht begnügt er sich mit Rundschreiben, vielleicht darf auch ein Trainer Umsatz machen mit der Vermittlung der Kompetenz "Kundenfreundlichkeit" an Mitarbeiter. Vielleicht täuscht Herr Personaler auch eine Steigerung der Kennzahl vor.
Das Geld für Trainerhonorar und Fehlzeiten könnte Herr König sinnvoller anlegen, indem er es SOS-Kinderdörfern schenkt.
Wir haben keinen Grund, am "Mangel an Kundenfreundlichkeit" zu zweifeln.
Falsch aber ist die Diagnose des Herrn König, Ursache sei ein Mangel an Können oder Wollen der Mitarbeiter.
Ebenso Fehl wie diese Diagnose ist die Therapie, die Mitarbeiter zu ermahnen oder gar zu schulen.
Begründung: So sehr die Mitarbeiter der N&B um ihre Arbeitsplätze fürchten, so sehr freuen sie sich über jeden Kunden, über jeden Auftrag. Fast so, wie in der Kindheit über den Weihnachtsmann.
Schon aus Eigeninteresse sind sie freundlich gegenüber ihren Kunden.
Die Aufforderung "seit freundlich gegenüber euren Kunden!" ist von ähnlicher Qualität wie die Aufforderung: "Schimmel, wiehert und seid weiß!"
Wer seinen Mitarbeitern abspricht, diese kausalen Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend zu handeln, der müßte ihnen allmorgendlich wohl auch noch die Schuhbänder zubinden wollen.
Nein, an Können und Wollen kann es den Mitarbeitern nicht mangeln. Die Ursachen müssen woanders liegen, wahrscheinlich in den Randbedingungen der Arbeit.
Die Gestaltung dieser Randbedingungen ist Sache der Führungskräfte, angefangen beim Herrn König.
Versäumnisse der Führungskräfte auszugleichen durch Weiterbildung für Mitarbeiter wäre Pfusch. Obwohl die Weiterbildungsbranche an diesem Pfusch prächtig verdient hat in den letzten Jahrzehnten.
Die wahren Ursachen zu erkennen und abzustellen, dafür wären Mittel und Zeit weit sinnvoller angelegt.
Viel billiger als Trainings wäre die Frage: "Kunden haben geklagt über mangelnde Kundenfreundlichkeit aus unserem Hause. Mitarbeiter, was hindert euch, so freundlich gegenüber Euren Kunden zu sein, wie ihr selbst das eigentlich wollt?"
Würden sich die Mitarbeiter trauen, käme dann wohl ein Bündel von Hindernissen, und es drohen Enthüllungen, die peinlich sind für Führungskräfte, gewiß auch peinlich sind für Herrn König.
Weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König bekennt, er sei auch nur ein Mensch und daher fehlbar. Ebenso jede andere Führungskraft. Deshalb sei er offen für Vorschläge, die der Zukunft der N&B dienen, im Moment sei gerade Bedarf in Sache Kundenfreundlichkeit.
Noch weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König resultatorientiert analysiert:
1. "Kundenfreundlichkeit brauchen wir für gute Ergebnisse".
2. "Das liegt im ureigensten Interesse der Mitarbeiter. Deren Wollen müßte schon da sein, und wer will, holt sich das Können selbst."
3. "Was hindert meine Mitarbeiter, so zu handeln?"
4. "Wie räume ich diese Hindernisse aus?"
Diese Betrachtung von "hinten nach vorn", angefangen beim Ergebnis, und vom Minderergebnis in der Kette von Ursachen und Wirkungen nach vorn gedacht, die ist viel komplizierter als die schlichte Aufforderung "lassen sie das Mitarbeitern trainieren". Sie ist auch unbequemer, weil peinliche Erkenntnisse drohen, Vorwürfe und Ärger. Aber wer sich davor fürchtet, der versagt als Führungskraft.
Diese Art der Analyse ist zwar komplizierter und vielleicht auch peinlicher, aber viel billiger als Pfusch-Weiterbildung für Mitarbeiter.
Freunde, mich ärgert nicht, daß die reale Person, deren Worte ich Herrn König in den Mund gelegt habe, sich vor diesen Unbequemlichkeiten drückt. Das verzeihe ich ihr, und sollte mir das Verzeihen schwer fallen, denke ich an meine Versäumnisse bei meiner Steuererklärung.
Mich ärgert aber die Plumpheit der Fehldiagnose und die Bereitwilligkeit, für Mängel die Mitarbeiter schuldig zu sprechen.
Mich ärgert noch viel mehr die Vorstellung, wie oft sich diese Geschichte wiederholt in Deutschland. Wir brauchen nur in die Weiterbildungsangebote zu schauen und finden Angebote für fast jede Soft-Fact-Kennzahl nach EFQM oder Balanced Scorecard.
Mich ärgert, wie der bereitwillige Griff nach dem "Wundermittel Weiterbildung" die wahren Ursachen für Mängel kaschiert, diese zementiert und so Kapital und Arbeitsplätze vernichtet.
Mich ärgert auch, wie die Rationalität nach EFQM oder BSC Fehldiagnosen fördert. Die Plausibilität der rotgefärbten Kennzahlen begründet noch lange nicht die Richtigkeit von Diagnose und Therapie.
Ich schreibe darüber hier mit der Bitte, hier habt ihr ein paar Argumente, um Eurem Herrn Personaler aus solch einer Klemme zu helfen, und um sinnlose Geldausgaben für wirkungslose Seminare zu vermeiden.
Ciao, und nun schlaft schön (am Montagmorgen! ), und wenn Herr König und die N&B nicht gestorben sind...
Wolfgang Horn
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- Juergen
- Topic Author
- Visitor
#4665
by Juergen
Replied by Juergen on topic Re: Gute-Nacht-Geschichten aus der Nuts&Bolts: Der "Mangel" an Kundenfreundlichkeit
: Hallo, das ärgert mich gerade:
Glücklicherweise ist das für mich ein POOP (Problem of other people)
Was mir trotzdem dazu einfällt:
1. Könnt doch schlimmer sein. Ein anderer Chef würd nicht in seine "humanen Ressourcen" investieren, sondern sie austauschen.
2. Ich glaub nicht, dass Weiterbildung demotiviert, im Gegenteil, meist bekommt man dadurch mal wieder einen Meta-Blick auf seine tägliche Arbeit, was selten verkehrt ist und (wenigstens bei mir) hilft und motiviert.
3. Bezüglich "Täuscht Steigerung der Kennzahl vor". Ich glaub durchaus, man sollte regelmäßig die Aussagekraft seiner Kennzahlen genau überprüfen, und diese bei Bedarf "umstricken". Vielleicht kommt hinterher ohne Aufwand tatsächlich eine größere Kundenzufriedenheit raus?
4. Natürlich hängt die Kundenzufriedenheit nur in wirklichen Ausnahmenfällen an einzelnen Mitarbeitern, so gut wie immer aber am System, an den Arbeitsbedingungen. Falls Chef also System für unabänderlich erklärt, hilft doch eh nur noch anpassen oder flüchten.
5. Hindernisse aus dem Weg räumen ist der absolut richtige Weg. Hat Euer Chef bald Geburtstag? Falls ja, schenkt ihm doch ein Deming-Buch
6. Aber deswegen würd ich doch die Weiterbildung trotzdem mitnehmen. Wie soll sich eine Firma denn weiterentwickeln, wenn die Mitarbeiter nicht angehalten werden, zu denken. Dazu nötig sind die Theorie (Weiterbildung) und die Praxis (betriebliche Rahmenbedingungen), da kann man nix weglassen.
7. Sorry für den etwas legeren Stil, aber Dein Beitrag hat mich froh gestimmt, denn hier sind wir schon einen Schritt weiter. (Deshalb auch eigentlich nicht sorry, sondern Danke)
Gruß Juergen
: Herr König führt mit seiner ersten Führungsriege eine Selbstbewertung nach EFQM durch.
: Er ist Geschäftsführer der Nuts & Bolts GmbH, unseres fiktiven Modellunternehmens.
: _Herr Personaler, verbessern sie die Kennzahl 'Kundenfreundlichkeit' um 15\%.
: Bitte schlagen sie eine Kampagne vor. Für mehr Weiterbildung haben wir allerdings kein Geld, notfalls streichen sie von der technischen Weiterbildung, Kundenfreundlichkeit ist wichtiger."
: Hat sich der Chef der N&B bereits so festgelegt mit seiner Diagnose, die Ursache des Mangels an Kundenfreundlichkeit liege bei den Mitarbeitern, wird Herr Personaler ihm da kaum widersprechen.
: Vielleicht begnügt er sich mit Rundschreiben, vielleicht darf auch ein Trainer Umsatz machen mit der Vermittlung der Kompetenz "Kundenfreundlichkeit" an Mitarbeiter. Vielleicht täuscht Herr Personaler auch eine Steigerung der Kennzahl vor.
: Das Geld für Trainerhonorar und Fehlzeiten könnte Herr König sinnvoller anlegen, indem er es SOS-Kinderdörfern schenkt.
: Wir haben keinen Grund, am "Mangel an Kundenfreundlichkeit" zu zweifeln.
: Falsch aber ist die Diagnose des Herrn König, Ursache sei ein Mangel an Können oder Wollen der Mitarbeiter.
: Ebenso Fehl wie diese Diagnose ist die Therapie, die Mitarbeiter zu ermahnen oder gar zu schulen.
: Begründung: So sehr die Mitarbeiter der N&B um ihre Arbeitsplätze fürchten, so sehr freuen sie sich über jeden Kunden, über jeden Auftrag. Fast so, wie in der Kindheit über den Weihnachtsmann.
: Schon aus Eigeninteresse sind sie freundlich gegenüber ihren Kunden.
: Die Aufforderung "seit freundlich gegenüber euren Kunden!" ist von ähnlicher Qualität wie die Aufforderung: "Schimmel, wiehert und seid weiß!"
: Wer seinen Mitarbeitern abspricht, diese kausalen Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend zu handeln, der müßte ihnen allmorgendlich wohl auch noch die Schuhbänder zubinden wollen.
: Nein, an Können und Wollen kann es den Mitarbeitern nicht mangeln. Die Ursachen müssen woanders liegen, wahrscheinlich in den Randbedingungen der Arbeit.
: Die Gestaltung dieser Randbedingungen ist Sache der Führungskräfte, angefangen beim Herrn König.
: Versäumnisse der Führungskräfte auszugleichen durch Weiterbildung für Mitarbeiter wäre Pfusch. Obwohl die Weiterbildungsbranche an diesem Pfusch prächtig verdient hat in den letzten Jahrzehnten.
: Die wahren Ursachen zu erkennen und abzustellen, dafür wären Mittel und Zeit weit sinnvoller angelegt.
: Viel billiger als Trainings wäre die Frage: "Kunden haben geklagt über mangelnde Kundenfreundlichkeit aus unserem Hause. Mitarbeiter, was hindert euch, so freundlich gegenüber Euren Kunden zu sein, wie ihr selbst das eigentlich wollt?"
: Würden sich die Mitarbeiter trauen, käme dann wohl ein Bündel von Hindernissen, und es drohen Enthüllungen, die peinlich sind für Führungskräfte, gewiß auch peinlich sind für Herrn König.
: Weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König bekennt, er sei auch nur ein Mensch und daher fehlbar. Ebenso jede andere Führungskraft. Deshalb sei er offen für Vorschläge, die der Zukunft der N&B dienen, im Moment sei gerade Bedarf in Sache Kundenfreundlichkeit.
: Noch weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König resultatorientiert analysiert:
: 1. "Kundenfreundlichkeit brauchen wir für gute Ergebnisse".
: 2. "Das liegt im ureigensten Interesse der Mitarbeiter. Deren Wollen müßte schon da sein, und wer will, holt sich das Können selbst."
: 3. "Was hindert meine Mitarbeiter, so zu handeln?"
: 4. "Wie räume ich diese Hindernisse aus?"
: Diese Betrachtung von "hinten nach vorn", angefangen beim Ergebnis, und vom Minderergebnis in der Kette von Ursachen und Wirkungen nach vorn gedacht, die ist viel komplizierter als die schlichte Aufforderung "lassen sie das Mitarbeitern trainieren". Sie ist auch unbequemer, weil peinliche Erkenntnisse drohen, Vorwürfe und Ärger. Aber wer sich davor fürchtet, der versagt als Führungskraft.
: Diese Art der Analyse ist zwar komplizierter und vielleicht auch peinlicher, aber viel billiger als Pfusch-Weiterbildung für Mitarbeiter.
: Freunde, mich ärgert nicht, daß die reale Person, deren Worte ich Herrn König in den Mund gelegt habe, sich vor diesen Unbequemlichkeiten drückt. Das verzeihe ich ihr, und sollte mir das Verzeihen schwer fallen, denke ich an meine Versäumnisse bei meiner Steuererklärung.
: Mich ärgert aber die Plumpheit der Fehldiagnose und die Bereitwilligkeit, für Mängel die Mitarbeiter schuldig zu sprechen.
: Mich ärgert noch viel mehr die Vorstellung, wie oft sich diese Geschichte wiederholt in Deutschland. Wir brauchen nur in die Weiterbildungsangebote zu schauen und finden Angebote für fast jede Soft-Fact-Kennzahl nach EFQM oder Balanced Scorecard.
: Mich ärgert, wie der bereitwillige Griff nach dem "Wundermittel Weiterbildung" die wahren Ursachen für Mängel kaschiert, diese zementiert und so Kapital und Arbeitsplätze vernichtet.
: Mich ärgert auch, wie die Rationalität nach EFQM oder BSC Fehldiagnosen fördert. Die Plausibilität der rotgefärbten Kennzahlen begründet noch lange nicht die Richtigkeit von Diagnose und Therapie.
: Ich schreibe darüber hier mit der Bitte, hier habt ihr ein paar Argumente, um Eurem Herrn Personaler aus solch einer Klemme zu helfen, und um sinnlose Geldausgaben für wirkungslose Seminare zu vermeiden.
: Ciao, und nun schlaft schön (am Montagmorgen! ), und wenn Herr König und die N&B nicht gestorben sind...
: Wolfgang Horn
Glücklicherweise ist das für mich ein POOP (Problem of other people)
Was mir trotzdem dazu einfällt:
1. Könnt doch schlimmer sein. Ein anderer Chef würd nicht in seine "humanen Ressourcen" investieren, sondern sie austauschen.
2. Ich glaub nicht, dass Weiterbildung demotiviert, im Gegenteil, meist bekommt man dadurch mal wieder einen Meta-Blick auf seine tägliche Arbeit, was selten verkehrt ist und (wenigstens bei mir) hilft und motiviert.
3. Bezüglich "Täuscht Steigerung der Kennzahl vor". Ich glaub durchaus, man sollte regelmäßig die Aussagekraft seiner Kennzahlen genau überprüfen, und diese bei Bedarf "umstricken". Vielleicht kommt hinterher ohne Aufwand tatsächlich eine größere Kundenzufriedenheit raus?
4. Natürlich hängt die Kundenzufriedenheit nur in wirklichen Ausnahmenfällen an einzelnen Mitarbeitern, so gut wie immer aber am System, an den Arbeitsbedingungen. Falls Chef also System für unabänderlich erklärt, hilft doch eh nur noch anpassen oder flüchten.
5. Hindernisse aus dem Weg räumen ist der absolut richtige Weg. Hat Euer Chef bald Geburtstag? Falls ja, schenkt ihm doch ein Deming-Buch
6. Aber deswegen würd ich doch die Weiterbildung trotzdem mitnehmen. Wie soll sich eine Firma denn weiterentwickeln, wenn die Mitarbeiter nicht angehalten werden, zu denken. Dazu nötig sind die Theorie (Weiterbildung) und die Praxis (betriebliche Rahmenbedingungen), da kann man nix weglassen.
7. Sorry für den etwas legeren Stil, aber Dein Beitrag hat mich froh gestimmt, denn hier sind wir schon einen Schritt weiter. (Deshalb auch eigentlich nicht sorry, sondern Danke)
Gruß Juergen
: Herr König führt mit seiner ersten Führungsriege eine Selbstbewertung nach EFQM durch.
: Er ist Geschäftsführer der Nuts & Bolts GmbH, unseres fiktiven Modellunternehmens.
: _Herr Personaler, verbessern sie die Kennzahl 'Kundenfreundlichkeit' um 15\%.
: Bitte schlagen sie eine Kampagne vor. Für mehr Weiterbildung haben wir allerdings kein Geld, notfalls streichen sie von der technischen Weiterbildung, Kundenfreundlichkeit ist wichtiger."
: Hat sich der Chef der N&B bereits so festgelegt mit seiner Diagnose, die Ursache des Mangels an Kundenfreundlichkeit liege bei den Mitarbeitern, wird Herr Personaler ihm da kaum widersprechen.
: Vielleicht begnügt er sich mit Rundschreiben, vielleicht darf auch ein Trainer Umsatz machen mit der Vermittlung der Kompetenz "Kundenfreundlichkeit" an Mitarbeiter. Vielleicht täuscht Herr Personaler auch eine Steigerung der Kennzahl vor.
: Das Geld für Trainerhonorar und Fehlzeiten könnte Herr König sinnvoller anlegen, indem er es SOS-Kinderdörfern schenkt.
: Wir haben keinen Grund, am "Mangel an Kundenfreundlichkeit" zu zweifeln.
: Falsch aber ist die Diagnose des Herrn König, Ursache sei ein Mangel an Können oder Wollen der Mitarbeiter.
: Ebenso Fehl wie diese Diagnose ist die Therapie, die Mitarbeiter zu ermahnen oder gar zu schulen.
: Begründung: So sehr die Mitarbeiter der N&B um ihre Arbeitsplätze fürchten, so sehr freuen sie sich über jeden Kunden, über jeden Auftrag. Fast so, wie in der Kindheit über den Weihnachtsmann.
: Schon aus Eigeninteresse sind sie freundlich gegenüber ihren Kunden.
: Die Aufforderung "seit freundlich gegenüber euren Kunden!" ist von ähnlicher Qualität wie die Aufforderung: "Schimmel, wiehert und seid weiß!"
: Wer seinen Mitarbeitern abspricht, diese kausalen Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend zu handeln, der müßte ihnen allmorgendlich wohl auch noch die Schuhbänder zubinden wollen.
: Nein, an Können und Wollen kann es den Mitarbeitern nicht mangeln. Die Ursachen müssen woanders liegen, wahrscheinlich in den Randbedingungen der Arbeit.
: Die Gestaltung dieser Randbedingungen ist Sache der Führungskräfte, angefangen beim Herrn König.
: Versäumnisse der Führungskräfte auszugleichen durch Weiterbildung für Mitarbeiter wäre Pfusch. Obwohl die Weiterbildungsbranche an diesem Pfusch prächtig verdient hat in den letzten Jahrzehnten.
: Die wahren Ursachen zu erkennen und abzustellen, dafür wären Mittel und Zeit weit sinnvoller angelegt.
: Viel billiger als Trainings wäre die Frage: "Kunden haben geklagt über mangelnde Kundenfreundlichkeit aus unserem Hause. Mitarbeiter, was hindert euch, so freundlich gegenüber Euren Kunden zu sein, wie ihr selbst das eigentlich wollt?"
: Würden sich die Mitarbeiter trauen, käme dann wohl ein Bündel von Hindernissen, und es drohen Enthüllungen, die peinlich sind für Führungskräfte, gewiß auch peinlich sind für Herrn König.
: Weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König bekennt, er sei auch nur ein Mensch und daher fehlbar. Ebenso jede andere Führungskraft. Deshalb sei er offen für Vorschläge, die der Zukunft der N&B dienen, im Moment sei gerade Bedarf in Sache Kundenfreundlichkeit.
: Noch weniger auffällig und ehrenrührig wäre, wenn Herr König resultatorientiert analysiert:
: 1. "Kundenfreundlichkeit brauchen wir für gute Ergebnisse".
: 2. "Das liegt im ureigensten Interesse der Mitarbeiter. Deren Wollen müßte schon da sein, und wer will, holt sich das Können selbst."
: 3. "Was hindert meine Mitarbeiter, so zu handeln?"
: 4. "Wie räume ich diese Hindernisse aus?"
: Diese Betrachtung von "hinten nach vorn", angefangen beim Ergebnis, und vom Minderergebnis in der Kette von Ursachen und Wirkungen nach vorn gedacht, die ist viel komplizierter als die schlichte Aufforderung "lassen sie das Mitarbeitern trainieren". Sie ist auch unbequemer, weil peinliche Erkenntnisse drohen, Vorwürfe und Ärger. Aber wer sich davor fürchtet, der versagt als Führungskraft.
: Diese Art der Analyse ist zwar komplizierter und vielleicht auch peinlicher, aber viel billiger als Pfusch-Weiterbildung für Mitarbeiter.
: Freunde, mich ärgert nicht, daß die reale Person, deren Worte ich Herrn König in den Mund gelegt habe, sich vor diesen Unbequemlichkeiten drückt. Das verzeihe ich ihr, und sollte mir das Verzeihen schwer fallen, denke ich an meine Versäumnisse bei meiner Steuererklärung.
: Mich ärgert aber die Plumpheit der Fehldiagnose und die Bereitwilligkeit, für Mängel die Mitarbeiter schuldig zu sprechen.
: Mich ärgert noch viel mehr die Vorstellung, wie oft sich diese Geschichte wiederholt in Deutschland. Wir brauchen nur in die Weiterbildungsangebote zu schauen und finden Angebote für fast jede Soft-Fact-Kennzahl nach EFQM oder Balanced Scorecard.
: Mich ärgert, wie der bereitwillige Griff nach dem "Wundermittel Weiterbildung" die wahren Ursachen für Mängel kaschiert, diese zementiert und so Kapital und Arbeitsplätze vernichtet.
: Mich ärgert auch, wie die Rationalität nach EFQM oder BSC Fehldiagnosen fördert. Die Plausibilität der rotgefärbten Kennzahlen begründet noch lange nicht die Richtigkeit von Diagnose und Therapie.
: Ich schreibe darüber hier mit der Bitte, hier habt ihr ein paar Argumente, um Eurem Herrn Personaler aus solch einer Klemme zu helfen, und um sinnlose Geldausgaben für wirkungslose Seminare zu vermeiden.
: Ciao, und nun schlaft schön (am Montagmorgen! ), und wenn Herr König und die N&B nicht gestorben sind...
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- Florian
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#4705
by Florian
Replied by Florian on topic Gute-Nacht-Geschichten aus der Nuts&Bolts: Der "Mangel" an Kundenfreundlichkeit
: 5. Hindernisse aus dem Weg räumen ist der absolut richtige Weg. Hat Euer Chef bald Geburtstag? Falls ja, schenkt ihm doch ein Deming-Buch.
Hallo Wolfgang
freut mich den Namen Deming in einem Forum zu hören. Wie bist Du darauf gestossen. Leider konnte ich Dir keien Email schicken, da nicht vorhanden. Es würde mich freuen, wenn Du mit mir in Kontakt treten könntest.
Gruss Florian
Schweizer QM-Portal
Hallo Wolfgang
freut mich den Namen Deming in einem Forum zu hören. Wie bist Du darauf gestossen. Leider konnte ich Dir keien Email schicken, da nicht vorhanden. Es würde mich freuen, wenn Du mit mir in Kontakt treten könntest.
Gruss Florian
Schweizer QM-Portal
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