Frage zur Shewhartkarte

  • Daniel
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#10969 by Daniel
Frage zur Shewhartkarte was created by Daniel
>Ich darf mich gerade mit dem Thema Prozessfähigkeit befassen. Hab mich auch bei faes.de schon einigermaßen in der Thema eingelesen.
Nur habe ich mal eine grundlegende Frage.
Als Daten habe ich eine (relativ geringe) Anzahl an Messwerten einer Bauteilvermessung. Wobei nur die Abweichung von der Solllage (dX, dY, dZ) und die Toleranz gegeben ist.
Wenn ich jetzt bei dX die Standartabweichung berechne, so liegt diese bei 0,8 mm. Die Toleranz liegt allerdings nur bei 0,75.
Laut Shewartkarte würde jetzt aber erst eine Messung die um 1,6 (2*s) vom Mittelwert abweicht (macht keine) den Warnbereich überschreiten.
Und das obwohl die Toleranz schon lang überschritten wurde.
Meine Frage jetzt:
Habe ich am System der Shewartkarte was missverstanden?
Oder kann man sie nur in Kombination mit den vorgegebenen Toleranzen nutzen?
(Sprich: Ist der Prozess in jeden Fall "nicht fähig" wenn der Bereich +/-2*s bzw. +/-3*s außerhalb des Toleranzbereiches liegt)




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  • Barbara
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#10970 by Barbara
Replied by Barbara on topic Re: Frage zur Shewhartkarte
Hallo Daniel,
Prozessbeobachtungen mit Regelkarten und Prozessfähigkeitsberechnungen sind grundsätzlich zwei verschiedene Sachen.
Prozessbeobachtung:
Der laufende Prozess wird kontrolliert. Überwacht wird, ob sich es außergewöhnliche Werte gibt. Außergewöhnlich heißt z. B. Überschreiten der 3S-Grenze oder andere systematische Abweichungen (WEO-Rules).
Es geht dabei nur um das Prozessverhalten, nicht um die Anforderungen/Toleranzen.
Prozessfähigkeitsberechnungen:
Hierbei werden die Ergebnisse eines Prozesses mit den Kunden-Anforderungen verglichen. Fähig ist ein Prozess dann, wenn er die Kunden-Anforderungen gut genug erfüllt. Gut genug erfüllt heißt, dass die Streuung klein im Vergleich zur Toleranz sein muss und dass die Lage nahe an der gewünschten Mitte liegen muss.
Soweit die Theorie.
Natürlich ist es in der Praxis so, dass auf Regelkarten auch Toleranzgrenzen zu finden sind. Man muss sich nur darüber im klaren sein, dass sie nichts mit dem Prozess zu tun haben, sondern Kunden-Vorgaben sind.
Bei Dir ist schon die einfache Standardabweichung S größer als die Toleranz. Damit ist Dein Prozess unfähig, in ausreichendem Maß i.O.-Bauteile zu liefern. Vielleicht hast Du ja das Glück, dass Du die falsche Formel benutzt hast ;-) Oder Du hast schlicht zu wenig Messwerte und da sind ein paar drin, die stark streuen und Dein S vergrößern.
Auf jeden Fall brauchst Du für jede Fähigkeitsberechnung und Regelkarten genügend viele Messwerte, Daumenregel: mehr als 100 aus einer ausreichenden Anzahl von Produktionstagen (>20). Dann musst Du untersuchen, ob die Messwerte (oder bei Untergruppen: Stichprobenmittelwerte) normalverteilt sind. Wenn das so ist, dann kannst Du die Grenzen / Fähigkeitsindizes berechnen.
Viele Grüße
Barbara




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  • Daniel
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#10971 by Daniel
Replied by Daniel on topic Re: Frage zur Shewhartkarte
Naja der Prozess ist in den Anfängen und die Stückzahlen sind bei uns nicht ganz so hoch. Deswegen liegt der Mittelwert noch nicht da wo er eigenlich liegen sollte (wenn man denn von einer Normalverteilung ausgeht). Zudem die hohe Streuung.
Das als Ergebnis heraus kommt, dass der Prozess unfähig ist, ist auch nicht weiter schlimm! War eher zu erwarten.
Nur mir geht es jetzt darum, dass ganze Thema korrekt zu erfassen und es auch entsprechend Präsentieren zu können.
Und dabei hab ich halt diese Probleme.
Hab ich dich richtig verstanden?
- Die Berechnung von Werten wie cp und cpk ist völlig unabhängig von der Erstellung von Regelkarten?
- Regelkarten (bei mir Shewhart) sind eigentlich unabhängig von vorgegebenen Toleranzen zu betrachten?
Wenn ich versuche den Prozess anhand von Regelkarten zu analysieren und dabei die vorgegebenen Toleranzen nicht ausser Acht lassen will, kann ich dann sagen, dass ein Prozess wo der Kontrollbereich (also 3*s) nicht innerhalb des Toleranzbereiches liegt IMMER unfähig ist? Oder nehme ich da die 2*s Grenze?
Noch eine Begriffsfrage:
Bei faes.de hab ich es so verstanden, dass die Prozesslage der Bereich Merkmalsmittelwert +/- Streuung ist. In anderen Quellen wiederrum kommt es mir so vor, als sei die Prozesslage gleich dem Merkmalsmittelwert. Welche Aussage ist denn nun richtig?



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  • Barbara
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#10972 by Barbara
Replied by Barbara on topic Re: Frage zur Shewhartkarte
Hallo Daniel,
ähm, kann es sein, dass Du überhaupt nicht überprüft hast, ob die Werte normalverteilt sind? Die Normalverteilung ist sowohl für die Regelkarten als auch für die Fähigkeitsindizes eine *notwendige* Voraussetzung. (Sonst sind die Aussagen bestenfalls wackelig und schlimmstenfalls schlicht falsch.)
: - Die Berechnung von Werten wie cp und cpk ist völlig unabhängig von der Erstellung von Regelkarten?
Ja. Und nein. Bevor der Cp/Cpk Sinn macht, musst Du nachweisen, dass die Werte stabil & normalverteilt sind und das geht am einfachsten mit Regelkarten (wenn Du genügend Werte hast). Für die Berechnung verwendest Du ähnliche Kennzahlen. Du brauchst allerdings keine Regelkarten, um den Cp/Cpk zu bestimmen.
: - Regelkarten (bei mir Shewhart) sind eigentlich unabhängig von vorgegebenen Toleranzen zu betrachten?
Ja. Die Regelkartengrenzen werden auf der Basis der Prozessdaten berechnet. Die Toleranzgrenzen sind Vorgaben von außen.
Damit kein Ausschuss im Prozess bleibt, werden die Toleranzgrenzen (wenn sie kleiner als die Eingreifgrenzen sind) anstelle der Eingreifgrenzen auf der Regelkarte eingetragen. Das hat aber nix mit der Theorie der Regelkarten zu tun.
: Wenn ich versuche den Prozess anhand von Regelkarten zu analysieren und dabei die vorgegebenen Toleranzen nicht ausser Acht lassen will, kann ich dann sagen, dass ein Prozess wo der Kontrollbereich (also 3*s) nicht innerhalb des Toleranzbereiches liegt IMMER unfähig ist? Oder nehme ich da die 2*s Grenze?
Je weiter die Toleranzgrenzen von der 3S-Grenze liegen, desto fähiger ist ein Prozess. "Unfähig" ist immer eine Definitionssache. Bei einigen Firmen in ein Cp von 1,67 ausreichend, bei anderen muss er deutlich höher sein. Verglichen mit dieser Vorgabe kannst Du erst sagen, ob ein Prozess fähig oder unfähig ist. (Bei Deinen Werten ergibt sich ein Cp von 0,16 und das ist auf jeden Fall viel zu klein, deshalb hab ich ihn als unfähig bezeichnet.) Fähigkeit ist etwas Relatives.
Die 3S-Grenzen sind die Eingreifgrenzen, die 2S-Grenzen die Warngrenzen. Wenn ein Punkt die Eingreifgrenzen über- (bzw. unter-)schreitet, dann muss in den Prozess eingegriffen werden. Wenn ein Punkt die 2S-Grenze über- (bzw. unter-)schreitet, aber noch nicht die 3S-Grenze, muss der Prozess sorgfältig im Auge behalten werden.
Die *Prozess-Lage* ist die mittlere Lage des Prozesses. Sie wird durch den Mittelwert oder Median geschätzt.
Die *Prozess-Streuung* ist die Variation der Messwerte. Sie wird durch die Standardabweichung S oder die Spannweite R geschätzt.
Prozess-Lage und Prozess-Streuung sind unabhängig voneinander (wenn die Daten normalverteilt sind).
Der *normale Prozess-Bereich* ist Mittelwert+/-3S. In diesem Bereich liegen 99,73\% der Messwerte (unter Normalverteilungsbedingungen in einem stabilen Prozess).
Viele Grüße
Barbara




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  • Daniel
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#10973 by Daniel
Replied by Daniel on topic Re: Frage zur Shewhartkarte
Eine Überprüfung auf Normalverteilung ist bei der geringen Anzahl von Messwerten wohl kaum möglich, oder doch?!
Aber ich hab mir auch sagen lassen (von den Messingenieuren), dass das Messsystem bzw. die Auswertungssoftware auf dem Prinzip der Normalverteilung beruht und somit die Messwerte Normalverteilt sein müssen.
Ansonsten hast du mir gut weiter geholfen! Danke!



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  • Alper
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#10975 by Alper
Replied by Alper on topic Re: Frage zur Shewhartkarte
Ein Tipp:
Die Verheiratung von Shewart und Zeichnungsvorgaben bietet die Annahmeregelkarte. Diese erlaubt (nicht immer) ein größeres Prozessfenster.
Soweit ich die TS2 richtig verstanden habe, meint das den Punkt "Überregelung von Prozessen".
Gruß
alper

: Eine Überprüfung auf Normalverteilung ist bei der geringen Anzahl von Messwerten wohl kaum möglich, oder doch?!
: Aber ich hab mir auch sagen lassen (von den Messingenieuren), dass das Messsystem bzw. die Auswertungssoftware auf dem Prinzip der Normalverteilung beruht und somit die Messwerte Normalverteilt sein müssen.

: Ansonsten hast du mir gut weiter geholfen! Danke!




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