Prozesszielwerte

  • Frank Hergt
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#6758 by Frank Hergt
Replied by Frank Hergt on topic Q-Ziele: Was wir so treiben.
Hallo zusammen!
Vielleicht einfach mal das pragmatische Beispiel von uns:
Es gibt als Unternehmensziel (Zweck?) "Null Fehler beim Kunden". Das ist die Lampe in der Ferne. Daß wir das nicht schaffen, weiß jeder, gleichzeitig hält es aber die Aufmerksamkeit auf die Qualität gerichtet und macht vor allen Dinge klar: Kein Fehler ist "schon ok". D.h. ich darf nie, nie etwas einfach durchrutschen lassen, weil bis zu meinem persönlichen Ziel noch Luft ist.
Dann gibt es für die einzelnen Teams in der Fertigung Jahresziele in "gefundene Fehler pro Team". Die Ziele müssen von den Team selber definiert werden. Dabei gibt's zwei Zusatzeinflüsse: Jeder Abteilungsleiter möchte ehrgeizige Ziele abgeben und ich als Q-Beauftragter achte streng darauf, daß kein Team mit zu ehrgeizigen Zielen überfordert wird. Über's Jahr finden wir natürlich auch Fehler, die von den vornedran liegenden Prozessen verursacht wurden. Die werden mit aufgeschrieben, denn sie wären ja ohne Kontrolle zum Kunden durchgerutscht. Darüber gibt es immer wieder heftige Diskussionen. Am Jahresende stelle ich mit den jeweiligen Abteilungsleitern zusammen fest, ob die Ziele erreicht worden sind. Dabei gehe ich nicht streng nach Mathematik vor, sondern beurteile die äußeren Einflüsse, die Veränderungen im Team, die Tendenzen in der Fehlerquote usw. mit. Dadurch haben am Ende einige ihr Ziel erreicht, die streng genommen durchgefallen wären. Damit die MitarbeiterInnen durch die Belohnung für ein erreichtes Ziel nicht allzusehr bestraft werden, besteht es nur in einen Qualitätsessen für 20 Euro pro Nase.
So hingeschrieben hört sich das nach einem heillosen Kuddelmuddel an. Da alle Beteiligten aber kontinuierlich miteinander reden (bis streiten ...), funktioniert es gar nicht so schlecht.
Hauptproblem: Trotz der eher symbolischen Belohnung wird mehr über die Aufschreibung als über die Fehlerabstellmaßnahmen diskutiert.
Was die Führung angeht: Drei Prozent der Entlohnung hängen an der Erreichung von mit dem Vorgesetzten vereinbarten Zielen. Die Geschäftsleitung erhält darüber hinaus noch eine Gewinnbeteiligung. Scheint so weit auch nicht schlecht zu funktionieren, Gewinn machen wir jedenfalls noch.
Schöne Grüße
Frank




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  • Stefan
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#6756 by Stefan
Hi,
daß jeder Fisch am Kopf anfängt mit stinken, das ist ja eine dieser vielen, alten, bewährten (und damit besonders bei den anrüchigen Köpfen diskreditierten) Bauernweisheiten.
Die Wegezoll-Kollekte war ja wieder das klassische Beispiel. Ich erlebe gerade selber so ein Beispiel mit einem großen Kunden. Keiner der Entscheider dort will entscheiden. Könnte ja die falsche Entscheidung sein. Fakten und technische Konflikte werden, wenn überhaupt, nur selektiv und unvollständig wahrgenommen (entsprechend des jeweiligen Weltbildes). Folglich drehen sich die Indianer endlos Kreis - dort, wohin sie könnten, dürfen sie mangels allerhöchster Entscheidungen nicht, der offiziell erlaubte Weg führt aber in die Irre.
Ach ja, vor Jahren gabs doch diese Stellenanzeigen, "no ranks, no titles" (war das Gore-Tex?). Was ist denn aus denen geworden? Bzw. aus deren Motto?
Von wegen AKV, das ist ja das Problem bei den ganz großen Köpfen. Macht <=> Befugnis <=> Entscheidungsgewalt <=> Verantwortung <=> Risiko, alles nicht deckungsgleich verteilt. Ein chinesischer General hatte wenigstens das Risiko, den Kopf zu verlieren nach verlorener Schlacht, sein Kaiser nach verlorenem Krieg. Was riskiert ein Konzern-CEO, der (zum Beispiel) eine große Fusion durchsetzt und dann verpatzt?
De janze Welt is jeck ...
Gruß
Stefan




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  • Wolfgang Horn
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#6755 by Wolfgang Horn
Hi, Florian,
die BWL muß zur Wissenschaft werden.
_Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d.i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft.“ (Immanuel Kant)
Weil hohe Produktivität in der Zusammenarbeit Regeln erfordert, die ähnlich gut sind wie die des Strtaßenverkehrs: Das System der Regeln muß dem gemeinsamen Zweck nutzen, in sich stimmig sein, und für jeden verständlich.
Und die wenigen, die das Verständnis nicht aufbringen, die kriegen halt keinen Führerschein.
Im Management aber ist das Protzen mit elitärem Wissen Mode: "Allein unsere kleine Elite versteht die Geheimnisse des XY-Managements, die Arbeiter brauchen nur unsere Befehle zu verstehen."
Die notwendige Stimmigkeit und Verständlichkeit der Regeln ist unerreichbar, wenn ein Dutzend Unternehmensberatungen jeweils ihr Managementsystem zur Mode zu machen versucht. Es dazu herausputzt wie einen Pfingstochsen und derart unverständlich zu machen, daß man nicht merkt, wie die glänzend-bunte Haut des Pfingstochsen nur die stinkenden Reste von Generationen ähnlicher Ochsen enthält.
Das ist Anti-Wissenschaft.
Nur eine Wissenschaft, die von Wissenschaftlern gemacht wird, die nicht dem persönlichen oder geschäftlichen Profit nachjagen, sondern dem Ruhm eines guten Wissenschaftlers, ist in der Lage, solch ein System von Regeln über wirtschaftliche Systeme zu entwickeln.
Folgerung: Professoren der BWL müssen sich entweder dem Ziel "Wissenschaft" verpflichten oder dem Ziel "persönlicher Profit". Ein Mix führt zum Verlust der Professur, weil konträr zu ihren Zielen. Ich hab' ja nix dagegen, daß, z.B., ein Prof. Dr. Scheer die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit zur Grundlage einer Firma macht. Aber ab diesem Schritt darf seine Stimme als Wissenschaftler nichts mehr zählen, hat er sich den wissenschaftlichen Thesen der echten Professoren zu beugen.
(Vor Jahrzehnten, als es noch die DDR gab, habe ich Nachrichtentechniker in München gern deren Fachzeitschriften gelesen. Weil die Autoren weniger die Interessen geschäftlicher Konkurrenz umsetzten, und daher objektiver über ihr Fachthema schrieben.)
Weitere Folgerung: Wir brauchen Qualitätskriterien für Managementsysteme. Und zwar keine 1000-Fliegen-Kriterien wie EFQM (ist zwar eine gute Idee, sie hat aber nur die Legitimation des Erfolgs der Muster-Unternehmen. Dessen Übertragbarkeit auf jedes Unternehmen aber nur behauptet wird. Dem EFQM-Modell fehlt die Legitimation in der Sache selbst, wie wir sie beispielhaft erleben in der Thermodynamik, Physik und überhaupt in den Naturwissenschaften.)
Und: Bevor wir Erfolgsrezepte einer US-Arbeitskultur blind umsetzen, müssen wir selber prüfen, ob sie auch in unserer Kultur zweckmäßig sind.
Im Straßenverkehr sind wir viel vernünftiger. Erfolgsrezepte der Briten, Japaner und Inder übernehmen wir eben nicht blind, sondern adaptieren sie an unseren Rechtsverkehr.
Ciao
Wolfgang Horn
P.S. Ach ja, gerade ist Rosenmontag. So jeckenhaft ist mir aber absolut nicht zumute...



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  • Sabine
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#6754 by Sabine
Replied by Sabine on topic 9001: Prozesse messen und überwachen
#Moin Allerseits,
: Wir reden immer wieder von Zielen. Mir ist dabei aufgefallen, dass wir bei Zielen nicht so viele sprachliche Unterscheidungen benutzen, wie bei der Aus- und Weiterbildung :-).
#Ja, da hab ich mich schon drüber aufgeregt. ;-)
: Es gibt z.B. den Zweck. Dieser beschreibt ein Ziel ohne zeitliche Komponente. Der Zweck eines Systems (oder Teilsystems = Prozess) muss Nutzen für den Menschen enthalten (Kunde, Mitarbeiter, Inhaber,...). Dies kann z.B. sein, Druck messen zu können, oder Labors sicherer zu machen oder Menschen Vergnügen zu bereiten (Karusellbetreiber), usw. Ein falsch gewählter Zweck ist der Grund der meisten Pleiten. Falls der Zweck "Vergaser zu produzieren" nicht geändert wurde, in "Gemisch für Verbrennungsmotoren bereitstellen", ist die Firma heute pleite.
#Meine Übersetzung in 9001-deutsch: Q-Politik.
: "Ohne Zweck kein System!" bedeutet, dass wir nicht alle in eine Richtung gehen können, wenn die helle Lampe weit vorne fehlt. Einzelne Prozessziele, ohne die Lampe in weiter Ferne, bedeuten gar nichts. Der Mitarbeiter kann die Führung nur unterstützen, wenn er die helle Lampe auch sieht. Werden im nur persönliche Ziele, seien es numerische Vorgaben (Leistungsziele, 100 Stück pro Tag oder Ausgaben

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  • Vivian
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#6766 by Vivian
Hallo Wolfgang,
es kann wohl wieder eine "starke" Führungskraft persönliche Bilanz ziehen ..... und sich an Kennzahlen ergötzen.
Ich habe im Unternehmen selbst zwei psychisch kranke Mitarbeiter. Diese ehemals engagierten und vor allem mitdenkenden Mitarbeiter wurden hier und nirgendswo anders krank gemacht.
Das Resultat ist dramatisch:
Natürlich ist ihre Leistungsfähigkeit gesunken. Das Selbstbewusstsein wurde extrem in Mitleidenschaft gezogen - ein Teufelskreis.
Sie sind nicht mehr so leistungsfähig wie früher und haben nicht das Selbstbewusstsein, sich gegen massive, scheinbar berechtigte Angriffe durch unsere GL zu wehren. Denn inzwischen ist es wahr, dass sie Fehler machen bzw. langsamer arbeiten. Aber meine Führungskräfte fragen nicht, warum die Situation so ist, wie sie eben ist; welche Ursachen für langfristigen Leistungsabbau verantwortlich sind.
Ihnen wurde nahe gelegt, die Firma zu verlassen, bewusst in dem Wissen, dass die Ortsbindung beider Mitarbeiter sehr hoch ist und dass sie auf dem Arbeitsmarkt Ostdeutschland Null Chancen auf einen Job haben. Diese Faktoren zusammengenommen bauen wohl einen unterträglichen Druck auf die Persönlichkeit auf.
Verlierer werden in unserer Gesellschaft nicht geduldet. Schauen wir uns doch die Stellenangebote an. Problematische turbulente Lebensläufe sind nicht erwünscht. Menschen über 45 werden dem Jugendwahn "moderner" Unternehmen geopfert. Querulanten und Kritiker werden glatt geschliffen und auf das seichte Niveau des Unternehmens zurückgestutzt.

Mir ist wirklich nicht nach Fasching

Vivian



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  • Florian
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#6767 by Florian
Hallo Sabine
Vielen Dank für Deine Antwort.
Ich bin jetzt seit 1986 im QM-Bereich tätig und habe noch praktisch keine Q-Politik gesehen, die als helle Lampe in weiter Ferne etwas getaugt hätte. Frage mal Eure Mitarbeiter, wie realistisch sie das helle Licht sehen. Falls alles im grünen Bereich ist, seit ihr eine löbliche Ausnahme.
#Soll das heißen, das es besser ist, die quantifizierbaren Prozessziele von den Prozesseignern selber setzen zu lassen? Na, da muß die Unternehmenskultur aber 100\% stimmen, sonst setzen sich die Prozesseigner doch nur Ziele die keinen Rechtfertigungszwang zur Folge haben! Ob da das Unternehmen damit so richtig voran kommt? Wenn die "Latte" immer niedrig hängt, ist die Zukunft doch besiegelt
Wo ich überhaupt nicht Deiner Meinung bin, dass Ziele einen Einfluss auf die Resultate haben sollen. Ziele sind meist rel. willkürlich gesetzt. Ohne dass wir die Fähigkeit des Systems kennen reden wir über Zahlen, die wir erreichen wollen.
Kontrollgrafiken nach Shewhatr bringen Wissen zu den Fähigkeiten des Prozesses. Damit sehe ich, in welchem Bereich mein zukünftiger Ausstoss (Leistung, Fehleanzahl, usw.) liegen wird. Die richtigen Kontrollgrafiken erlauben eben schon viel früher, als ein verpasstes Ziel, wirkliche Probleme (Signale) zu erkennen und sofort darauf zun reagieren. Die heutige Art Ziele zu setzen kent folgende Probleme:
- Die Streuung der Werte über die Zeit ist nicht bekannt.
- Die Ziele werden eher psychologisch als auf Fakten aufbauend gesetzt.
- Für die erbrachte Leistung ist in einem System nie ein Einzelner verantwortlich.
- Die Erreichung der persönlichen Ziele übertriffft die Wichtigkeit der Unternehmensziele (Bonus).
- Nur wer kontinuierlich nach Signalen im Prozess sucht und nicht auf Fehler wartet, kann diesen unter Berücksichtigeung von NUll-Fehlern laufend verbessern. Solange ich ja auf Fehler angewiesen bin, um Verbesserungspotential zu sehen, muss ich auch Fehler machen. Je sporadischer Fehler auftreten, umso schwieriger wird es, diese noch Ursachen zuordnen zu können.
Ziele sind nicht unwichtig, nur versprechen wir uns heute das Falsche davon. Mach jemanden verantwortlich, gib im ein anspruchsvolles Ziel und der Kuchen ist gegessen. Wenn es so einfach wäre, bräuchten wir hier nicht zu diskutieren.
Eine weitere Sache die mich bedrückt, ist die Meinung, dass Mitarbeiter aus der Werkstatt nicht selber wissen, was für die Zukunft des Unternehmens gut ist. Natürlich brauchen Sie dazu die richtige Führung und Ausbildung. Beginnt damit, den Mitarbeiter das Denken beizubringen und nehmt Euch mit Vorgaben zurück. Es gibt sehr gute Werkzeuge, die es allen eines Teams erlauben, sich an der kontinuierlichen Verbesserung zu beteiligen. Dies lässt die Mitarbeiter auch wieder mehr Freude an der Arbeit empfinden, was ohne Bonus zu besseren Leistungen führt. Jede Arbeit hat einen gewissen "Langweiligkeits"-Effekt. Kann ich nicht meinen Bereich bis zu einem gewissen Grad selber "managemen" fühle ich mich fremdbestimmt und die Leistung geht zurück. (Alfie Kohn beschreibt in seinem Buch panish by rewards mindestens 100 Fallstudien, die solche Zusammenhänge wissenschaftlich belegen).
Gerne höre ich Deine Meinung dazu!
Es Grüessli
Florian


qm-online.ch

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